Anlässlich der aktuellen politischen Situation und der bevorstehenden bildungspolitischen Herausforderungen hat Mag Heinrich Himmer, der amtsführende Präsident des Wiener Stadtschulrates, “ahs aktuell” ein Interview gegeben.
Wir stehen kurz vor einer Nationalratswahl – wieweit ist die Bildungspolitik von diesem Wahlgang betroffen?
Aus Sicht der Bildungspolitik ist der Wahlgang von allergrößter Bedeutung. Es hängt so viel daran – nicht zuletzt die erfolgreiche Umsetzung der beschlossenen Bildungsreform. Mit dem parlamentarischen Beschluss der Bildungsreform hat die Umsetzung im Grunde nämlich erst begonnen. Hier gilt es noch sehr viel im Detail zu klären, Durchführungsbestimmungen festzulegen und dann natürlich mit viel Sensibilität die Reformen an den Schulen selbst und in den Klassen ankommen zu lassen. Hierfür braucht es das Bildungsministerium als guten Partner. Und idealerweise natürlich eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung. Und auch deshalb wünsche ich mir natürlich ein gutes Ergebnis der SPÖ und dass unser künftiger Bundeskanzler wieder Christian Kern heißt.
Das neue Schuljahr hat begonnen. Welche Initiativen dürfen wir erwarten?
In Wien wollen wir vor allem das Modell der Bildungsgrätzl intensiv ausbauen. Die Idee dahinter: Um bildungspolitisch Erfolg zu erzielen, darf man sich nicht auf allein „systemische Fragen“ verengen, sondern muss man auch kleinteilig denken – und handeln. Beim Thema Schule geht es um Menschen, um LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern, um ihre Leben und um ihre Lebensumgebung. Mit anderen Worten: Es geht auch um das Grätzl. Genau dort setzt das Modell des Bildungsgrätzls an. Im Zentrum stehen hierbei Kooperationen aller Lerneinrichtungen untereinander, aber auch die Zusammenarbeit mit Vereinen, Initiativen, städtischen und privaten Institutionen in der unmittelbaren Umgebung. Damit haben wir im vergangenen Schuljahr begonnen und wollen wir im neuen Schuljahr mit einigen neuen Bildungsgrätzl-Eröffnungen fortsetzen. Und das Bildungsgrätzl ist vor allem auch keine Idee, die sich auf eine Schulart beschränkt. Konkret auf die AHS bezogen sehe ich hier ein reiches Bewegungs- und Erweiterungsfeld: Ich denke nämlich, dass je besser wir die Kooperation der verschiedenen Bildungseinrichtungen im Grätzl entwickeln, desto leichter lassen sich dann auch die Übergänge zwischen den Schularten gestalten. Davon haben alle etwas: Die Kinder und Jugendlicher, aber auch die LehrerInnen der AHS.
Wir haben zuletzt in Zeitungsmeldungen erfahren, dass der Stadtschulrat in diesem Schuljahr einen „Hub“ einrichten möchte. Was ist das und was soll dieser können?
Wie Ihr wisst, war ich selbst bis vor kurzem Lehrer. Ich weiß daher recht genau, was man sich nicht zuletzt von der Schulbehörde, vom Stadtschulrat erwartet: nämlich Unterstützung und genügend Freiheit. Unterstützung dort, wo man selbst gefordert ist, und Freiheit, um pädagogisch optimal arbeiten zu können. Bei diesen beiden Bereichen setzen wir an.
Der Grundkompetenzen-Hub soll im Jänner 2018 der Öffentlichkeit präsentiert werden und besonders der Stärkung der Kompetenzen Lesen, Schreiben, Rechnen dienen. Mit ihm sollen Schulen ihre Best-Practice-Modelle präsentieren können (Motto: „Schulen vor den Vorhang“) und dadurch zur engeren Kooperationen zwischen den Standorten und den LehrerInnen beitragen. Der Hub stellt eine physische und digitale Drehscheibe dar und will mit eigenen Veranstaltungen und Themenschwerpunkten dafür sorgen, dass stärker als bisher die Schule in die Welt und die Welt in die Schule gebracht wird.
Und auch für den zweiten Bereich haben wir eine Maßnahme bereits gesetzt. So haben wir mit diesem Schuljahr eine Entbürokratisierungs-Offensive gestartet. In einem Erstschritt haben unsere JuristInnen den Paragraphendschungel durchforstet und 521 von insgesamt über 2000 Erlässen für unsere Schulen ersatzlos gestrichen. Das bringt weniger Bürokratie und schafft somit mehr Freiheit und Zeit für Pädagogik.
Du bist jetzt seit Februar Stadtschulratspräsident. Eine erste persönliche Bilanz?
Dieses erste halbe Jahr war für mich eine sehr spannende und natürlich auch herausfordernde Zeit. Bei Schule geht es ja um viel: In den Klassenzimmern von heute wird auch unsere Zukunft entschieden. Daran mitarbeiten und unsere Lehrer und Lehrerinnen dabei unterstützen zu dürfen, die Schulen weiter zu entwickeln, ist aus meiner Sicht einer der spannendsten „Jobs“ überhaupt. In diesem Sinne lautet meine persönliche Bilanz: Ich habe viel erlebt und noch viel mehr vor.
Politisch war dieses halbe Jahr natürlich stark von den Diskussionen rund um die Bildungsreform geprägt. Wie gesagt, ich denke schon, dass mit ihrem Beschluss wichtige Türen aufgestoßen wurden. Nun geht es darum, durch diese Tür auch durchzugehen und vor allem weiterhin mit ganzer Kraft für unsere großen bildungspolitischen Ziele zu kämpfen.